Abstracts

Eröffnungsvortrag:

Dr. Annette Mönnich (Bochum): SprechKunst als PerformanceKunst

Eine Performance mit den typischen Merkmalen performativer Kunst? Die beteiligten Zuschauer/innen werden in Akteurinnen und Akteure verwandelt, die ästhetische Kommunikation ist selbstreferentiell, und es geht um die Transformation der Beteiligten durch den Prozess des Erlebens. Anknüpfend an diesem Verständnis ist diese Tagung eine Plattform, um zu erkunden: Wo ist das Performative in der Sprechkunst?  Wodurch wird eine Rezitation zu einer Performance?  Was ist im Bereich ästhetischer Kommunikation eine Stimm-Performance? Ziel der Tagung ist es, die sprechwissenschaftliche Reflexion über die performative Dimension der ästhetischen Kommunikation voranzutreiben. Der Eröffnungsvortrag verortet die Fachtagung in den kulturwissenschaftlichen Fachdiskurs über die Performativität der Kommunikation sowie die „Ästhetik des Performativen“ (Fischer-Lichte), und zwar  anhand der Schlüsselbegriffe „Inszenierung – Körperlichkeit – Räumlichkeit – Lautlichkeit – Zeitlichkeit – Wahrnehmung – Aufführung“. Der Vortrag dient als Bezugspunkt für die Auswertung der Erfahrungsprozesse in den Workshops.


Zur Person: Dr. Annette Mönnich ist Akademische Rätin im Germanistischen Institut der Ruhr-Universität Bochum (Lehrgebiete: Angewandte Linguistik, Sprechwissenschaft/ Sprecherziehung, Didaktik der mündlichen Kommunikation im Deutschunterricht)

http://staff.germanistik.rub.de/annette-moennich/


Workshops:

1. Bettina Dorn (Berlin): Theater-Labor Wort. Erforschung persönlicher Wortwerte – ihre subjektive Symbolik und ihre Poesie. Improvisatorische Performance

Jedes Wort trägt das Echo der Erinnerung an den konkreten Raum und die Zeit der jeweiligen Worteroberung. Damit ermöglicht es uns, wie eine Tür, eine Reise in die Welt unserer persönlichen Ordnung von dem Wahrgenommenen.
Mit Eindrucksübungen wie: Reisen in die persönliche Bibliothek und Ausdrucksübungen, die ihren Absprung im phonetischen Sinnesgedächtnis finden, erforschen die Teilnehmer anhand eines selbsterwählten Textes ihre subjektiven Bezüge zu Worten und deren symbolische Bedeutung in ihrem eigenen System.
Die wiedergefundenen Schätze werden gesammelt und sind die Basis der Entwicklung einer improvisatorischen Performance, die den Abschluss des Seminars bildet.
Die Mittel des Theaterlabors werden in diesem Seminar für die aktive Erforschung des "Materials" Sprache genutzt und stellen ihre kraftvolle Funktion, uns und andere zu bewegen, in den Mittelpunkt. Die Erlaubnis, über das Verstehen des Wortes hinaus in die dahinter liegende Welt des jeweiligen Akteurs blicken zu dürfen, ist ein Akt von ansteckender Großzügigkeit.
In der Performance verbinden die Wortsymbole in ihrer kulturellen Bedeutung als Schnitt- und Knotenpunkte die Vielfältigkeit der unterschiedlichen Welten miteinander.
Der Wert des einzelnen Wortes, das -über die Bündelung von physischem und geistigem Impuls in einer kulturellen Abmachung hinaus- immer auch eine Brücke zu der Einzigartigkeit des Sprechers ist, wird erleb- und fassbar.

Zur Person: Bettina Dorn Regisseurin, Autorin, Schauspielerin und Schauspiel­trainerin, stellt in ihrer Arbeit die Entwicklung und Erforschung von Szenen über Improvisation sowie das Training des Instruments in den Vordergrund.  Dabei ist ihre Arbeitsweise von ihrer langjährigen Zusammenarbeit  mit dem argentinischen Regisseur Augusto Fernandes als Schauspielerin und Regieassistentin, unter anderem am "Deutschen Schauspielhaus Hamburg" und am "San Martin" und "Cervantes" in Buenos Aires, stark geprägt worden. Ab 1999 baute sie in Köln mehrere Trainingsgruppen für Schauspieler auf und setzte ihre in Bs.As. begonnenen Regiearbeiten fort. 2006 bereitete sie als Coach Schauspieler für die TV-Serie "Alles was zählt" (Grundy Ufa) vor und begleitete sie für acht Monate in der Vorbereitung ihrer Rollen und am Set. 2008 übernahm sie einen Gastlehrauftrag für Szenenstudium an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolff in Babelsberg  und inszenierte für die von ihr in das Leben gerufene Plattform Menü-für-drei Sinne. Seit 2009 konzentriert sie sich auf die Entwicklung eigener Stoffe und produzierte seither mehrere Kurzfilme. Im Frühjahr 2014 hat ihr Multimediaprojekt – Das Alice Monument –  im Theaterlabor Bielefeld Premiere.www.Bettina-Dorn.de 

 

2. Sarah Giese (Münster): Die Körperlichkeit des Bühnensprechens – Methoden des Physical Theatre und Sprechperformance

Betrachtet man aktuelle kultur- und theaterwissenschaftliche Diskurse um Körper und Stimme, in denen diese beiden Kategorien längst als zentrale Untersuchungsgegenständen etabliert wurden, ist die Abwesenheit einer Positionierung der Sprecherziehung und Sprechwissenschaft in dieser Debatte mehr als auffällig. Auch die sich durch neue Theaterformen ergebenden veränderten Anforderungen an Körper, Stimme und Sprechen des Schauspielers werden in der Sprecherziehung noch nicht genügend berücksichtigt.
In England hat sich im letzten Jahrzehnt eine ganz eigene Tradition des Körpertheaters entwickelt, das Physical Theatre, welches bewusst alle Genregrenzen zwischen Wort- und Tanztheater aufzuheben versucht. Die Herangehensweise einer bestimmten Kompanie, Frantic Assembly, die dezidiert mit Nicht-Tänzern arbeitet, eignet sich aufgrund seiner Idee der Gleichstellung von Text und Bewegung für die Kombination mit Ansätzen aus der sprecherzieherischen Schauspielarbeit. Diese Methode versteht sich keineswegs als Ersatz, sondern als Komplement zur sprecherzieherischen Arbeit an und mit einem (Schauspiel-)Text. Als besonders gewinnbringend können sich in der Folge die Impulse für die Rollenarbeit herausstellen, was eventuell sogar in einer sogenannten „physischen Charakterisierung“ gipfeln kann. Dabei ist es entscheidend, immer die Grundfrage nach dem Sinn einer Bewegungsfassung eines Textes zu stellen: Wann wird etwas tatsächlich besser über Worte, wann besser über Bewegung gesagt, wann parallel über beides?
Anhand ausgewählter Übungen aus dem englischen Physical Theatre, kombiniert mit eigenen Ansätzen, soll in diesem Workshop ein Einblick in eine  Textsprecherarbeitungsmethode gegeben werden, die ganz  unter dem Stichwort „working physically with the text“ steht. Unbedingt bequeme Klamotten mitbringen!

Zur Person: Sarah Giese arbeitet als Sprecherzieherin (DGSS) und Stückeschreiberin beim mehrfach preisgekrönten Jugendtheater Cactus. Neben der freiberuflichen Tätigkeit als Schauspielerin, Sprech- und Stimmtrainerin ist sie außerdem als Sprecherin regelmäßig bei der ARD, dem ZDF oder dem WDR zu hören und leiht ihre Stimme Märchenhörspielen des RBB oder Hörbuchproduktionen. Ab 2014 ist die außerdem Lehrkraft für besondere Aufgaben am Centrum für Rhetorik, Kommunikation und Theaterpraxis an der WWU Münster. Nähere Infos unter www.sarahgiese.de

 

3. Christoph Hilger (Berlin): Vom Ton zum Wort zur Emotion – und zurück. Energetisch sprechen und Raum erobern

Worte schmecken- und lösen Zustände aus. Zustände lassen Gefühle herausbrechen. Diese brauchen Aus- Druck- der sich wiederum in Tönen ausbreiten will. Töne werden gebissen und  mit den Zähnen gepackt. Das Ergebnis wird – in unterschiedliche Richtungen gesetzt – zum Untertext-Erlebnis. Worte sind nur eine Vereinbarung und transportieren doch alles. Wie viel von der Botschaft hören wir denn über die Worte? Und wie viel schwitzt sich zwischen den Zeilen durch?
Anhand von Klang- und Wortgedichten geht es auf eine sehr freie Reise vom Ich über die Sprache zum und in den Raum.

Zur Person: Christoph Hilger ist Diplom-Sprecherzieher / Stuttgart, Sprecher und Schauspieler – und arbeitete in dieser Funktion mittlerweile 24 Jahre auf Bühnen und vor der Kamera sowie als Lehrbeauftragter und Professor (HFF). Er beschäftigte sich unter anderem auch mit den Stimmmethoden von Grotowski/Zygmunt Molik und Yoshi Oida und arbeitete in einem Zeitraum von etwa 3 Jahren mit verschiedenen Lehrern des Roy Hart Theatre. Seit 2 Jahren gibt er vor allem  Trainings für Führungskräfte im Bereich Stimme – Körpersprache – Präsentation, arbeitet  aber immer noch als Coach für Schauspieler in Medien und verstärkter eigener Präsenz auf der Bühne.
http://www.Hilger-Christoph.de

 

4. Xenia Multmeier (Münster) : "Something is always happening" (John Cage) – Fluxus als Impuls für Theaterperformance

Nach einem kurzen Impulsreferat, wie die Kunst von z.B. John Cage, Yoko Ono, Robert Filliou, Joseph Beuys u.v.a. meine Theatearbeit bislang beeinflusst hat, begeben wir uns an die Erkundung des von mir zur Verfügung gestellten (Text-)materials. Voraussichtlich arbeiten wir mit den Elementen „Zeit“ und „Zufall“ (Cage), erweiterten Konzepten von Skulptur (Bruce Nauman) und Malerei (Ono). Die Architektur des Orts Ruhr-Uni Bochum wird voraussichtlich ebenfalls eine Rolle spielen. Nach einer Anleitung, die befolgt oder verändert werden kann, arbeiten die TN als Team selbstständig mit dem Material. Die TN-Zahl sollte 10 Leute nicht überschreiten.

Zur Person: Xenia Multmeier, M.A. und Sprechwissenschaftlerin DGSS, arbeitet seit 1994 als freie Regisseurin. Im Jahr 2000 gründete sie das Ensemble „theater en face“. Das experimentelle Theater mit jährlich ein bis zwei Produktionen arbeitet  mit dem Ansatz, das intellektuelle, ästhetische und politische Potenzial moderner Kunst seit Duchamp in die Theaterarbeit zu integrieren. Koproduktionen mit Musikern, bildenden Künstlern und Tänzern arbeiten an den offenen Grenzen zwischen den Künsten, suchen neue ästhetische Formen zwischen Sprechtheater, Tanz und performativer Kunst.
http://www.uni-muenster.de/Studiobuehne/ensembles/enface.html

 

5. Ralf Wendt (Halle/S.): Dekonstruktion als Handwerk der Sprechkunst

The whole thing is coming out of the dark… (Samuel Beckett)
Kafka schrieb mit Vorliebe, wenn kurz vor dem Einschlafen das Denken sich mischte mit dem Betrachten der ablaufenden Bilder des Unterbewusstseins; J.L.Borges und Hartmut Geerken suchten dunkle abgeschlossene Räume auf, um die Text-Produktion in viele Layer aufzusplitten und den zufälligen Verbindungen Raum zu geben; Gysin & Burroughs setzten ihre Textideen nicht nur den Drogen, sondern auch der Schere und den Flammen aus und Roland Barthes und Umberto Eco schwärmen vom Entstehen des Textes im Kopf beim "aufschauenden Lesen".
In diesem Seminar erproben wir, die Spuren, die ein Text in uns hinterlässt, als Ausgangs-Material für eine Performance zu nutzen. Ausgehend von den Grundprinzipien der Performance, mit der eigenen Physis und einer künstlerischen Idee einen neuen Raum und eine neue (belebende) Wirklichkeit zu schaffen, wird das Prinzip der Werktreue radikal hinterfragt.
Der Seminarleiter bringt einige Kopf-Öffner mit, die Texte sollten Sie selbst wählen.

Zur Person: Ralf Wendt (50) lebt mit Familie in Halle/S., ist Dipl.-Sprechwissenschaftler und arbeitet sowohl für das Medium Hörfunk als auch in der Lehre (Sprechkunst am Institut für Sprechwissenschaft & Phonetik MLU Halle, div. Medienanstalten & Stiftungen). Als Performance-Künstler ist Wendt international aktiv, u.a. für das KünstlerInnen-Kollektiv Thewolfandthewinter. Als Kurator ist Wendt seit 1996 für verschiedene Kunst- und Performance-Festivals tätig.

 

6. Hans Martin Ritter (Berlin): Performance. Mit Shakespeare in den Fluss und die Verwirrung der Gefühle.

Fragmente aus Shakespeares Stücken und Sonetten (z.T.in unterschiedlichen Übersetzungen und Bearbeitungen) sind das Material. Die Eingabe des Materials, der Textfragmente, ihre Zusammenstellung, die Dramaturgie, die Aktionsformen – solistischer, dialogischer, chorischer Art sind Vorschläge des Kursleiters. Der Fluss und die Verwirrung, die Gefühle, die Artikulations– und Redeweisen sind der Anteil der Gruppe.

Zur Person: Hans Martin Ritter war langjährig Professor an der Hochschule/ Universität der Künste Berlin und der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Er ist einer der Väter der neueren Theaterpädagogik und einer der profilierten Vertreter des gestischen Sprechens in der Schauspielausbildung. Auftritte als Sprecher/Schauspieler: literarisch-musikalische Programme/ Szenische Monologe. Arbeiten als Regisseur und Pianist (Begleiter). Zahlreiche Publikationen, u.a. Das gestische Prinzip bei Bertolt Brecht (1986), Sprechen auf der Bühne (1999/2009), ZwischenRäume. Theater-Sprache-Musik. Grenzgänge zwischen Kunst und Wissenschaft (2009).  Weiteres unter:www.hansmartinritter.de

 

7. Jutta Seifert (Dortmund): Vom Roman zur Rolle. Literatur in Szene setzen

Ein Theatertext ist ein für die Aufführung bestimmter Text; das Publikum wird als Dialogpartner stets mitgedacht. Auch der Autor einer Erzählung oder eines Romans und sein Leser führen einen Dialog.
Der wesentliche Unterschied jedoch zwischen stiller Rezeption und der Aufführung eines Textes ergibt sich aus dem die Theatersituation definierenden Umstand, dass Zuschauer und Akteur sich zur selben ZEIT am selben ORT befinden, also körperlich anwesend sind.
Die dialogische Verbindung zwischen Akteur und Zuschauer entsteht zum einen durch den Atem: Atemführung, Staupausen, Pausen werden so zu Handlungs-ZEIT-räumen.
Darüber hinaus findet eine Ver-ORT-ung der Situation durch die nonverbalen Mittel insbesondere durch das Blickverhalten des Akteurs statt, der dadurch den imaginierten (Spiel-)Raum kreiert.  Schließlich fügt der Akteur durch seineStimme durch lautliche Affekt-Äußerungen der Vorlage eine außer-TEXT-liche Ebene hinzu.
Dieser Weg vom Sinn zum Sinnlichen einer Textvorlage soll in diesem Workshop auf der Grundlage schauspielpraktischer Übungen erfahrbar werden.
Es bleibt zu diskutieren: In welcher Weise wirkt die Transformation des Textes von einem Genre in ein anderes auf den Text zurück?

Zur Person: Jutta Seifert M.A. Theaterpädagogin BuT ® Sprecherzieherin (DGSS) war fast 20 Jahre lang als freischaffende  Schauspielerin mit ihren Soloproduktionen (Literatur-Theater) bundesweit und im Ausland auf Tour. Am Mikrofon leiht sie ihre Stimme am liebsten  Romanen und Sachtexten. Sie unterrichtet Sprecherziehung und Kommunikation mit theaterpädagogischem Ansatz an verschiedenen Hochschulen und arbeitet als Sprech- und Stimmcoach in eigener Praxis und am Stadttheater Gießen. www.jutta-seifert.de

 

8. Susanne Weins (Düsseldorf): "Im Moment." Erarbeitung der Grundlagen einer Stimm-, Sprech-, Gruppen-/Performance mit Einzelmomenten zur Aufführung.

Der Moment bietet in seiner Tiefenstruktur vielschichtiges Material für performatives Tun. Lauschend nach innen: bietet er jene Impulse und Bewegkraft, die für die Lebendigkeit einer Durchführung  oder Aufführung notwendig sind. Lauschend nach außen: bietet er Klangwelten, Bilder und Beziehungen, die als dialogisches Element eine Performance facetten-, und spannungsreich machen. Beide Richtungen sind Ausgangspunkt für den Entwurf von Klang, Melodie, Geräusch, Wort und Text.

Praktisch sieht das so aus:
– Mit Körper-, Wahrnehmungs-, und Raum- Übungen werden besondere und individuelle Qualitäten der Situation im Raum entdeckt.

– Impulsen werden auf neuen Wegen nachgegangen und in stimmlich/sprachlichen Ausdruck gebracht.

– Gleichzeitig bekommt das Geschehen der Kollegen im Raum einen kreativen Einfluss, integrierend in die eigene Durchführung, als Anregung oder Entwicklungsmöglichkeit  für Gemeinsames.

– So entstehen Klangatmosphären, Stimmfelder, die Grundstimmungen für Wörter und Texte bieten können oder eigenständig sind als Duette, Terzette, Soli und Tutti.

– Lauschend  aktiv bleiben alle im Raum und bilden optische Kontrapunkte als ‚support’ für das Geschehen.

– In der Vorbereitung bieten Stimm-, und Supportarbeit kleine Exkurse in neue Stimmräume.
Das Ergebnis ist eine gemeinsame Performance, in der Soli stattfinden können. Vorbereitete Texte oder Ideen werden gerne integriert.

Zur Person: Susanne Weins ist Performancekünstlerin, freischaffende Dozentin für Roy Hart Stimmarbeit, DGSS Stimm-, und Sprechlehrerin, F.M Alexanderlehrerin. Sie ist Begründerin des Ateliers performative Künste, das seit neuestem als Raum für Begleitung und Herstellung performativen Tuns im Rahmen von Stimme, Bewegung, Ausdruck und Musik fungiert.
www.weinsvoicemove.de

 

9. Eva Maria Gauss (Marburg): Lecture Performance: Sagen und Zeigen der Stimme. Eine mehrstimmige performative sinnerfassungsmaßnahme.

In der Performance-, Tanz- und Theaterszene sowie innerhalb der Bildenden Kunst hat sich das Genre der „Lecture Performance“ etabliert. Die kommunikativen Situationen des Vortrags und der Performance/Art bzw. der Theater-Performance werden dabei zusammengeführt und verweisen auf ihre Schnittstellen und Zwischenräume. Lecture Performances bereiten wissenschaftliche Reflexionen künstlerisch auf oder setzen künstlerische Performance in den wissenschaftlichen Diskurs. Die [performativen sinnerfassungsmaßnahmen] suchen einen eigenständigen Stil in dieser aktuelle Bewegung, wobei die körperliche Erarbeitung im Vordergrund stehen und dabei philosophische Diskurse thematisiert werden. Körperarbeit ist zugleich philosophieren, Denken ist zugleich Performance. In der Stimme und im Sprechen liegt seit jeher beides so nahe beienander. Es wird Zeit, dies in einer gemeinsamen Performance zu artikulieren!
In dem Workshop werden wir eine Lecture Performance zum Thema Stimme erarbeiten und dabei der Stimme auf der Bühne besondere Beachtung schenken. Anhand einer Textsammlung, die die Workshopleiterin mitbringt (eigene Vorschläge ebenso erwünscht), verfolgen die Teilnehmer/innen intellektuell, was über die Stimme gesagt wird und teilen was sie zur Stimme artikulieren können. Sie werden ebenso versuchen in einer gemeinsamen Performance zu sagen und zu zeigen, was sich zeigt und was über die Stimme gesagt wird. Experimentelle Stimmarbeit, Lesen philosophischer Texte, performative Recherche sowie eine Einführung in des Genre der Lecture Performance stehen auf dem Programm.

Zur Person: Eva Maria Gauß ist seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin (Sprechwissenschaft) an der Universität Marburg und arbeitet an ihrer Dissertation zu Körperphilosophien und Techniken der Stimmbildung / Sprecherziehung für Schauspieler/innen (AT: Anthropologien der Stimme). Als Diplom Sprechwissenschaftlerin (Halle) und Magistra Philosophie / Theaterwissenschaft (Bielefeld, Wien, Leipzig) beschäftigt sie sich mit der künstlerischen Darstellung von Wissen, fortlaufend in dem Projekt "[soundcheck philosophie]: Vermittlungsformate des Denkens". Theoretisch arbeitete sie u.a. zur Theorie des Körpers in der Philosophischen Anthropologie H. Plessners, zu Körpertechniken der Stimme in interkultureller Perspektive sowie zur Rhetorik in den Wissenschaften. Sie arbeitete in der qualitativen Sozialforschung und in der Kulturförderung und unterrichtete Rhetorik, Sprecherziehung und Spezialseminare wie etwa "Theorien der Stimme" oder "Wissenschaftskommunikation und Philosophie" an verschiedenen Universitäten.
Ihre künstlerische Ausbildung im Bereich Körpertheater erhielt sie vor allem beim Theaterlabor Bielefeld. Als freie Schauspielerin (1995-2006) trat sie international auf und erhielt u.a. ein Stipendium (2003) für die Fortbildung "Performing Words" in Singapore, seit 2006 erarbeitet sie Solo (Lecture) Performances [performative sinnerfassungsmaßnahmen] , auch unter dem Double-Namen Petra Lum,  u.a. "Der Sprech-Komplex", der u.a. 2008 auf den Stuttgarter Sitmmtagen zu sehen war.
Die letzten Veröffentlichungen sind (zus. mit Kati Hannken-Illjes): Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in künstlerischer Form. in Bockhorst, H. u.a. (Hg): Handbuch Kulturelle Bidlung. München, 2012, S. 961-964. und (zus. mit Katrin Felgenhauer): Interspaces: Philosophical Performances. What for? Embodiment and publicity of philosophical thinking in: Filozofia, 2013, vol. 68, No 5, Bratislava, pp. 402-411(Language: Czech).