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Über das Ruhrgebietsdeutsch

Veröffentlicht am 6. Februar 2015

Willkommen in den sprachlichen Tiefen vonnen Ruhrgebietsdialekt

von Kim Uridat

Mein lieber Kokoschinski! Mein lieber WAS? – wir beginnen mit einem Ausdruck, der bei Nichtkennern des Ruhrgebiets oder jenen, die sich zu seinen Sympathisanten zählen dürfen, zunächst für Verwunderung sorgen dürfte. Kokoschinski, wer soll das denn sein? Was will der Sprecher damit sagen? Noch nie gehört? Dann kann dieses unterhaltsame Buch über den Ruhrdialekt einige hilfreiche Ansätze bieten.

Heinz H. Menge, der als Professor an der Ruhr-Universität Bochum gelehrt hat, stellt in seinem Band Mein lieber Kokoschinski! Der Ruhrdialekt einen Dialekt vor, der laut Titel aus der »farbigsten Sprachlandschaft Deutschlands« stammt. Und das ist nicht zuviel versprochen, gibt es doch sehr viele Ausdrücke, die zum Beispiel aus dem Jiddischen stammen, wie »Stickum«. Oder auch aus dem Plattdeutschen, denn Heinz H. Menge hält fest, dass die Bochumer »Klockerigge« mit ihrer Endung auf plattdeutsche Wurzeln hinweist. Typische Dortmunder Ausdrücke wie »tofte oder Maloche«, Worte, die viele Menschen in und auch außerhalb des Ruhrpotts kennen, werden ebenso erklärt und erfahren hier eine sprachliche Einordnung. Und heraus stellt sich auch, dass Maloche durch seinen jiddischen Hintergrund auf dem O betont werden muss und warum das O in »Bochum« lang ausgesprochen wird, wenn es zum Beispiel in den Fangesängen im Bochumer Fußballstadion erklingt. Warum gibt es Wittkowskis und Witkowskis, warum fällt ein t weg und woher kommt eigentlich das Wort »Mattka« und was bedeutet es? Fragen, die dieses Buch umfassend und intelligent beantwortet. Anschaulich erklärt Menge außerdem, warum in der Geschichte des Ruhrgebiets mancher Nachname abgeändert wurde, welche neuen Namensformen sich dabei ergaben und auch, warum es in der sich wandelnden Industrieregion des alten Kohlenpotts viele Familien mit polnischen oder masurischen Wurzeln gibt.

Des Weiteren geht der Band nicht nur der Frage nach, was das Ruhrgebiet eigentlich ist, sondern auch, welche Bevölkerungsgruppen Einfluss auf den Sprachgebrauch und somit auch auf den Ruhrdialekt haben. Eine gute Nachricht für Sprecher des Ruhrdialekts wird mit der Kapitelüberschrift »Das beste Deutsch: Etwa im Ruhrgebiet? – Ja, echt!« eröffnet, denn Hannover trage den inoffiziellen Titel der Sprachpfleger nur aus einer Behauptung heraus. Menge relativiert dann aber doch augenzwinkernd: »Man hört es nicht unbedingt auf der Straße«. Immerhin, der Ruhri hat gute Anlagen, irgendwann das beste Deutsch zu sprechen und wenn nicht, bleibt in jedem Fall der Ruhrdialekt mit allen seinen Finessen und Besonderheiten erhalten.

Heinz H. Menge analysiert mit Mein lieber Kokoschinski, den Ruhrdialekt wissenschaftlich und dennoch anschaulich, beleuchtet die Hintergründe dieser regionalen Formen und zeigt ihre Auffälligkeiten. Gleichzeitig spiegelt er damit auch wider, was die gern als etwas schnodderig gescholtenen Ruhrdialektsprecher sprachlich auszeichnet und was die Region vor allem aus sprachlicher Sicht zu einer besonderen macht. Es ist ein Buch über den Ruhrdialekt, in dem man sich als Sprecher wiederfinden und als Neuankömmling Erstaunliches und Unbekanntes entdecken kann.

Heinz H. Menge: Mein lieber Kokoschinski. Der Ruhrdialekt. Aus der farbigsten Sprachlandschaft Deutschlands. Henselowsky und Boschmann, 2013, 9,90 €.

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