Habilitationsprojekt

Konstellationen zwischen Walther von der Vogelweide und der lateinischen Literatur um 1200 [Betreuer: Prof. Manfred Eikelmann]

Es ist davon auszugehen, dass die lateinische Literatur als größte Literatur im vormodernen Europa auf Walthers Texte eine Wirkung ausübte und umgekehrt. Für die politischen Sangsprüche Walthers auf der einen Seite und lateinische politische Gedichte auf der anderen geht Franz Josef Worstbrock davon aus, dass sie zwei getrennten Sphären angehören, die „zu Konstellationen und Kontexten literarischen Lebens zusammen[treten]“ und „das literarhistorische Ganze [bilden]“ (Worstbrock, Franz Josef: Politische Sangsprüche Walthers im Umfeld lateinischer Dichtung seiner Zeit. In: Kraß, A./ Köbele, S. (Hgg.): Ausgewählte Schriften I, Stuttgart 2004, S. 39-60, hier: S. 59). Worstbrock hat hier freilich nur einen Ausschnitt aus Walthers Gesamtwerk behandelt, aus dem sich ein Parameter für das Vorhaben ableiten lässt: Die Trennschärfe der literarischen Sphären gilt es für Walthers Texte neu zu überprüfen und seine Auseinandersetzung mit der latinitas, ggf. über die politischen Sangsprüche hinaus, neu zu bestimmen.

In der Forschung gilt die communis opinio, dass Walther über lateinische Bildung und eine weitreichende literarische Kenntnis verfügt. Er erschließt der deutschen Literatur damit neue Bereiche, leistet neue Kontextualisierungen und entwickelt eigene Konzepte, die alle gemeinsam in den Konstellationen mit der Latinität deutlicher und verständlicher werden. Einen Ausgangspunkt des Vorhabens bildet daher die Annahme einer relativen Einheit der literarischen Sphären: Lateinische und deutsche Texte arbeiten in bzw. an denselben Fragen und positionieren sich zu denselben Problemlagen, wodurch sie in wechselnde Spannungs- oder Konvergenz- und Differenzverhältnisse geraten. Zur Erschließung und Analyse derartiger literarischer Konstellationen adaptiert und modifiziert das Vorhaben die Konstellationsforschung (Henrich, Mulsow, Kiening u.a.), die für die germanistische Mediävistik anwendbar gemacht wird. Auf diese Weise lassen sich die literarische Kommunikation genauer ausleuchten sowie die Positionen der Texte exakter bestimmen. Die Habilitation zielt insgesamt darauf, in Verbindung mit der lateinischen Literatur eine facettenreichere Interpretation einiger Texte Walthers zu gewinnen und für diese den Anschluss an die europäisch-lateinische Ebene zu erarbeiten.

DFG-Projekt „Klassiker im Kontext“

http://staff.germanistik.rub.de/klassiker-im-kontext/

Forschungsinteressen

  • Deutsche und lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit
  • Medial-literarische Rezeption der klassischen Antike im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit
  • Anthropologische Diskurse (insbesondere Wissen, Glück, Ruhm, Lebensalter, Macht)
  • Übersetzen im Mittelalter, speziell Arabisch-Latein und Latein-Deutsch
  • Interreligiöse Kontakte im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, speziell Christentum und Islam