Forschungsprojekt »Vernünftige Ärzte«

»Vernünftige Ärzte«. Die Halleschen Psychomediziner und Ästhetiker in der anthropologischen Wende der Aufklärung (u.a. Georg Ernst Stahl, Johann Gottlob Krüger, Ernst Anton Nicolai, Johann August Unzer; Alexander Gottlieb Baumgarten, Georg Friedrich Meier)

 

Das interdisziplinäre Projekt arbeitet die Bedeutung des Werks des psychomedizinischen Kreises »vernünftiger Ärzte« in Halle um Stahl, Krüger, Unzer, E.A. Nicolai u.a. für die anthropologische Wende um 1750 heraus. Gezielt wird damit auf die Anthropologie vor der Anthropologie (i.S. Platners). Im Zentrum stehen

1.) die Entstehungsbedingungen von Anthropologie und Ästhetik (Baumgarten, Meier u.a.) im Kontext von Stahlianismus, Pietismus, Thomasianismus und Wolffianismus,

2.) die Vordatierung der Ursprünge der Anthropologie im deutschsprachigen Raum von der Spät- in die Frühaufklärung,

3.) die Gleichursprünglichkeit von Anthropologie und Ästhetik aufgrund eines vergleichbaren, antikartesianischen Impulses, d.h. die Supplementierung der herkömmlichen Logik um eine ›Logik der sensitiven Erkenntnis‹ (= Ästhetik) und ein ganzheitliches, Leib und Seele umfassendes Menschenbild (= Anthropologie).

Dadurch leistet das Projekt einen Beitrag zur Erforschung jener disziplinären Bereiche der Moderne, die vom Kartesianischen Wissenschaftsdispositiv verdrängt worden und in der Wissenschaftsgeschichtsschreibung unthematisch geblieben sind.

Der antikartesianische Impuls von Ästhetik und Anthropologie um 1750 macht die »vernünftigen Ärzte« anschlußfähig an heutige Überlegungen zu Psychosomatik und ganzheitlichen Therapieansätzen und bildet die Brücke zu einer ›Logik des Individuellen‹.

Projektarbeit: »›Vernünftige Ärzte‹. Hallesche Psychomediziner und Ästhetiker in der anthropologischen Wende der Aufklärung unter besonderer Berücksichtung des erfahrungswissenschaftlichen Werks von Johann Gottlob Krüger (1715-1759)«. Dreijähriges DFG-Projekt innerhalb der Forschergruppe »Selbstaufklärung der Aufklärung« (IZEA, Halle. Sprecher: Heinz Thoma).

Projektpublikationen

Carsten Zelle:

  • Erfahrung, Ästhetik und mittleres Maß – die Stellung von Unzer, Krüger und E.A. Nicolai in der anthropologischen Wende um 1750 (mit einem Exkurs über ein Lehrgedichtfragment Moses Mendelssohns). In: Reiz, Imagination, Aufmerksamkeit. Erregung und Steuerung von Einbildungskraft im klassischen Zeitalter (1680-1830). Hg. Jörn Steigerwald, Daniela Watzke. Würzburg: Königshausen und Neumann 2003, 203-224.
  • ›Vernünftige Ärzte‹. Hallesche Psychomediziner und Ästhetiker in der anthropologischen Wende der Frühaufklärung. In: Innovation und Transfer – Naturwissenschaften, Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert. Hg. Walter Schmitz, Carsten Zelle. Dresden: Thelem 2004 (= Aufklärungsforschun­g, 2), 47-62.
  • Johann August Unzers »Gedanken vom Träumen« (1746) im Kontext der Anthropologie der »vernünftigen Ärzte« in Halle. In: Zwischen Empirisierung und Konstruktionsleistung: Anthropologie im 18. Jahrhundert. Hg. Jörn Garber, Heinz Thoma. Tübingen: Niemeyer 2004 (= Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung, 24), 19-30.
  • Anakreontik und Anthropologie. Zu Johann Arnold Eberts Das Vergnügen (1743). In: Anakreontische Aufklärung. Hg. Manfred Beetz, Hans-Joachim Kertscher. Tübingen: Niemeyer 2005 (= Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung, 28), 93-105.
  • Anthropologie et esthétique: les premiers écrits de Schiller sur le théâtre (1782-1784). In: Revue Germanique Internationale 4/2006, 147-159.
  • Deutschsprachiger Vorabdruck u.d.T. ›Schiller als Dramentheoretiker‹. In: Flandziu. Halbjahresblätter für Literatur der Moderne 2 (2005), H. 3, 77-87.
  • Friedrich Gottlieb Klopstock, das Erhabene und die Anthropologie um 1750. In: Wort und Schrift: Das Werk von Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803). Hg. Kevin F. Hilliard, Katrin Kohl, Christian Soboth. Tübingen: Niemeyer 2008 (= Hallesche Forschungen, 27), 19-44 [in Druck].
  • Zur Idee des ›ganzen Menschen‹ im 18. Jahrhundert. In: Die »Neue Kreatur« – Pietismus und Anthropologie. II. Internationaler Kongreß für Pietismusforschung. Halle/Saale, 28. Aug. bis 1. Sept. 2005. Hg. Udo Sträter. Tübingen: Niemeyer (= Hallesche Forschungen) [in Druck], ca. 20 S.
  • Commercium mentis et corporis – Johann Gottlob Krügers Beitrag zur literarischen Anthropologie um 1750. In: Revue Germanique Internationale 10/2009 (= Themenheft: »Anthropologies allemandes entre philosophie et science(s) 1800-1930«. Hg. Olivier Agard, Céline Trautmann-Waller) [in Druck].
  • »Ey was hat der Arzt mit der Seele zu thun«? Physiologie und Psychologie bei Albrecht von Haller und Johann Gottlob Krüger. In: Anthropologie und Experiment. Generatoren des Wissens um 1750. Hg. Tanja van Hoorn, Yvonne Wübben. Hannover: Wehrhahn 2009 [in Druck].
  • Englische Kurzfassung u.d.T.: A Dialogue between Halle and Göttingen – Johann Gottlob Krüger’s Psychology vs. Albrecht von Haller’s Physiology. In: 2000. The European Journal/La Revue Européenne. Hg. Vincenzo Merolle. Roma 2009 [in Druck].
  • ›Die Geschichte bestehet in einer Erzählung‹. Poetik der medizinischen Fallerzählung bei Andreas Elias Büchner (1701–1769). In: Zeitschrift für Germanistik 19 (2009), H. 2 (Themenheft: Fallgeschichten – Von der Dokumentation zur Fiktion. Hg. Alexander Košenina), ca. 20 S. [in Druck].
  • Träume eines ›vernünftigen Arztes‹ – zum literarischen Werk des Naturlehrers Johann Gottlob Krüger. In: Heilkunst und schöne Künste. Medizin – Literatur – Kunst – Wissenschaft. 2. Trogener Bibliotheksgespräch, Trogen, 7.- 9. Juni 2007. Hg. Anett Lütteken, Heidi Eisenhut, Carsten Zelle, ca. 18 S. [in Vorb.].

Tanja van Hoorn:

  • (Rez.) Maschinenmodell, dynamischer Vitalismus, Seelenorgan. Neues zur Geschichte der Anthropologie des 18. Jahrhunderts. Rezension von: Hans-Peter Nowitzki: Der wohltemperierte Mensch. Aufklärungsanthropologien im Widerstreit. Berlin, New York 2003. In: IASLonline. URL: <http://iasl.uni-muenchen.de/rezensio/liste/vanhoorn1.html> [26.11.2003].
  • Johann August Unzer: Gedancken vom Schlafe und denen Träumen nebst einem Schreiben an N.N. daß man ohne Kopf empfinden könne (Halle 1746). St. Ingbert: Röhrig 2004 (= Kleines Archiv des achtzehnten Jahrhunderts, 43).
  • Affektenlehre – rhetorisch und medizinisch. Zur Entstehung der Anthropologie um 1750 in Halle. In: Rhetorik. Ein internationales Jahrbuch 23 (2004), 81-94.
  • (Rez.) Gerhard Klier: Die drei Geister des Menschen. Die sogenannte Spirituslehre in der Physiologie der Frühen Neuzeit. Stuttgart 2002 (= Sudhoffs Archiv, 50). In: sehepunkte 4 (2004), Nr. 3 (15.03.2004). URL: <http://www.sehepunkte.historicum.net/2004/03/2655.html> [20.03.2004].
  • (Sammelrezension) Wissenschaftsgeschichtliche Erforschung der Aufklärung – ein neues Periodikum. Rezension von: Wissen und Wissensvermittlung im 18. Jahrhundert. Beiträge zur Sozialgeschichte der Naturwissenschaften zur Zeit der Aufklärung. Hg. Robert Seidel. Heidelberg 2001 (= Cardanus, 1 [2000]); Die exakten Wissenschaften zwischen Dilettantismus und Professionalität. Studien zur Herausbildung eines modernen Wissenschaftsbetriebs im Europa des 18. Jahrhunderts. Hg. Heidelberg 2002 (= Cardanus, 2 [2001]). In: Das achtzehnte Jahrhundert 28 (2004), H. 1, 101-103.
  • Entwurf einer Psychophysiologie des ganzen Menschen. Johann Gottlob Krügers Grundriß eines neuen Lehrgebäudes der Artzneygelahrtheit (1745). Hannover: Wehrhahn 2006, 218 S.
  • Hydra – Die Süßwasserpolypen und ihre Sprößlinge in der Anthropologie der Aufklärung. Physis und Norm. Neue Perspektiven der Anthropologie im 18. Jahrhundert. Hg. Manfred Beetz, Jörn Garber, Heinz Thoma. Göttingen: Wallstein 2007 (= Das achtzehnte Jahrhundert. Supplementa, 14), 29-48.

Rainer Godel:

  • Der Mensch – ein »lächerliches Thier«? Eine psychophysische Theorie des Lachens bei Ernst Anton Nicolai und Georg Friedrich Meier und ihre Folgen. In: Aufklärung 17 (2005 [= Themenschwerpunkt: ›Frühaufklärung‹]), S. 187-214.

Brian T. McInnis:

  • Reading the Moral Code. Theories of Mind and Body in Eighteenth Century Germany. Vanderbilt University (Nashville TN), PhDiss. 2006 [masch.]