Unterricht auf einem bedrohten Planeten – Perspektiven und Herausforderungen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung im Unterricht der sprachlichen Fächer (geplante Veröffentlichung)

Herausgeberinnen: Dorothee Meer (Bochum) /Miriam Morek (Duisburg/Essen)

Berichte und Einschätzungen aus der Klima-, Biodiversitäts-, Energie- und Nachhaltigkeitsforschung, aber auch öffentliche Beiträge in Nachrichten und sozialen Medien zeigen: Die Frage, wie mit der akuten Bedrohung unserer Lebensgrundlagen durch die Zerstörung der Umwelt, die globale Erwärmung und eine auf Konsum, Wachstum und Ausbeutung setzende Politik und Lebensweise umzugehen ist, darf als eine der wohl drängendsten Frage der Gegenwart gelten. Dabei geht es für die Heranwachsenden der jüngeren Generation um nichts weniger als um die Frage, wie sie in Zukunft leben werden (müssen).

Trotz der hohen Relevanz dieser Feststellungen liegen für den Schulunterricht bislang nur vergleichsweise wenige fachdidaktische Konzepte vor, die sich auf Fragen des nachhaltigen Umgangs mit dem Planeten Erde richten. Zwar wies die Kultusministerkonferenz bereits 2014 darauf hin, dass Schule Kompetenzen vermitteln soll, die Schüler:innen dazu befähigen, „die natürlichen Lebensgrundlagen und Ressourcen in ihrer Begrenztheit zu verstehen und Umwelt und Gesellschaft vorausschauend, solidarisch und verantwortungsvoll mitzugestalten“ (BMBF 2014: 2), aber eine Konkretisierung dieses Anspruchs in den Kernlehrplänen der sprachlichen Fächer finden sich bisher nur vereinzelt. So ist der Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) inzwischen zwar eine „fächerübergreifende Querschnittsaufgabe“ (vgl. MSW-NRW 2019), was das aber bedeutet, ist bisher kaum hinreichend diskutiert worden.

Während in den Sozial- und Naturwissenschaften in den letzten Jahren Überlegungen und Ansätze zur Konkretisierung nachhaltigkeitsbezogener Bildung entstanden sind (Gryl & Budke 2017) blieb dieses Feld in den sprachlichen Fächern – v. a. im deutschsprachigen Raum – bislang kaum adressiert (vgl. Trampe 2007; Grimm & Wanning 2017; Meer, Susteck & Visser 2023). Verwunderlich ist das auch deshalb, weil es kaum ein Problem im Bereich der (ökologischen) Nachhaltigkeit gibt, dass nicht an zentralen Punkten kommunikativ vermittelt bzw. sprachlich und/oder bildlich mitkonstituiert ist. Dass es aus dieser Perspektive wohl keinen ernsthaften Grund gibt, von einer fehlenden Anschlussfähigkeit des Themas ‚Nachhaltigkeit‘ an Fragen der sprachlichen, literarischen und kulturellen Bildung in den Sprachfächern auszugehen, zeigen auch Überlegungen von Hallidays aus den frühen 1990er Jahren: Er verweist auf die zentrale Rolle, die Sprache und Texte bei der Konstruktion und Vermittlung gesellschaftlicher Wirklichkeit spielen und sieht es als Aufgabe der sprachlichen Fächer (z. B. der Angewandten Linguistik) an, zur Aufklärung und kritischen Reflexion dieser Zusammenhänge beizutragen (Halliday 1990). Beleuchtet werden kann in diesem Zusammenhang beispielsweise die Rolle der Lexik (z. B. globale Erwärmung vs. Klimawandel, Law & Matthiessen 2022) und Syntax (z.B. Aktiv- vs. Passivkonstruktionen) sowie der Einsatz von Metaphern (Hoiss 2023; Scheitza & Visser 2023), narrativen Strukturen und Motiven (Bartosch 2023; Meer 2023; Stetter 2023; Susteck 2023) und Bildern (Meer 2023) in umwelt- und nachhaltigkeitsbezogenen Texten und Diskursen.

Vor diesem Hintergrund zielt die geplante Tagung erstens auf eine Bestandsaufnahme fachdidaktischer Perspektiven auf Bildung für nachhaltige Entwicklung innerhalb der sprachlichen Fächer. Zweitens geht es darum, in ein gemeinsames Nachdenken über die Frage zu gelangen, ob und inwiefern Sprach-, Literatur- und Medienunterricht zur Bildung für nachhaltige Entwicklung beitragen kann. Im Einzelnen sollen hierbei die folgenden Fragen diskutiert werden:

  • Welche thematischen und/oder curricularen Ansatzpunkte sind denkbar, um Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) als Querschnittsaufgabe auf existierende Themen des Sprach- und Literaturunterrichts zu beziehen? Wie lassen sich genuin fachspezifische Lern- und Bildungsziele auf Themen und Fragen der Nachhaltigkeit beziehen?
  • Welche Textsorten mit jeweils welchen sprachlichen und multimodalen Merkmalen gibt es im Feld Nachhaltigkeit? Auf welchen sprachsystematischen Ebenen lassen sich Diskurse im Feld Nachhaltigkeit untersuchen?
  • Welche bestehenden Ansätze der BNE (z.B. Geographie, Biologie, Politik, Sozialwissenschaft) lassen sich für den Sprach- und Literaturunterricht fruchtbar machen?
  • Welche praktischen Erfahrungen aus dem Sprach- und Literaturunterricht verschiedener Fächer gibt es bereits, um mit Fragen der Nachhaltigkeit umzugehen? Taucht das Thema in Lehrwerken oder anderen fachbezogenen Bildungsmaterialien auf?
  • (Wie) Können Fragen der Nachhaltigkeit im Schulunterricht verhandelt werden, ohne SuS als politische Akteure zu „instrumentalisieren“ bzw. (wie) kann ein dem Schulunterricht angemessenes Neutralitätsgebot gewahrt werden? Oder muss ein solches in Anbetracht der Relevanz der Bedrohung möglicherweise in Teilen suspendiert werden?
  • Und damit verbunden: Wie „kritisch“ darf oder soll eine ökologisch-kritische Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaft sein bzw. wie vertragen sich ein ideologiekritischer Blick mit wissenschaftlichen Objektivitätsansprüchen?

Aufbauend auf diese Fragestellungen soll es im Rahmen der geplanten Tagung darum gehen, mit Blick auf den sprachlichen Unterricht Sprach-, Literatur- und Mediendidaktiker*innen dazu einzuladen, ausgehend von eigenen Vorüberlegungen und offenen Fragen miteinander ins Gespräch zu kommen: Im Mittelpunkt soll hierbei die Frage stehen, welchen Beitrag die unterschiedlichen Didaktiken für den Bereich der Bildung für Nachhaltige Entwicklung leisten können.

Als Referent*innen mit Forschungsschwerpunkten im Bereich des Tagungsthemas konnten wir bereits Prof. Dr. Roman Bartosch (Didaktik Anglophoner Literaturen und Kulturen, Universität zu Köln), Prof. Dr. Inga Gryl (Didaktik des Sachunterrichts, Universität Duisburg-Essen) und Prof. Dr. Judith Visser (Sprachwissenschaft und Didaktik der Romanischen Sprachen, Ruhr-Universität Bochum) gewinnen.

Als Vorschlag für einen 25-minütigen Vortrag schicken Sie bitte ein Abstract im Umfang von max. 300 Wörtern bis zum 15.06.2023 an dorothee.meer@rub.de und miriam.morek@uni-due.de .


Literatur:

Bartosch, Roman (2023): Scale, Latency, Entanglement: Wege zur Klimakompetenz durch kreative Kommunikationen. In: Meer, Dorothee/Susteck, Sebastian/Visser, Judith (2023): Narrative und Metaphern zur Nachhaltigkeit – Perspektiven für den Unterricht in den sprachlichen Fächern, 275-294.

Gryl, Inga & Budke, Alexandra (2017): Bildung für nachhaltige Entwicklung – zwischen Utopie und Leerformel? Potentiale für die Politische Bildung im Geographieunterricht. In: Budke, Alexandra/Kuckuck, Miriam (Hrsg.): Politische Bildung im Geographieunterricht. Stuttgart: Franz Steiner, 57-75.

Halliday, Michael A. K. (2001 [1990]). New ways of meaning: The challenge to applied linguistics. In: Fill, Alwin / Mühlhäusler, Peter (Hrsg.), The ecolinguistics reader: Language, ecology and environment, 175–202. London: Continuum.

Hoiß, Christian (2019): Deutschunterricht im Anthropozän – Didaktische Konzepte einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität München.

Hoiß, Christian (2023): Der ökologische Fußabdruck im Deutschunterricht. Auf Spurensuche nach dem sprachdidaktischen Potenzial einer Metapher. In: Meer, Dorothee/Susteck, Sebastian/Visser, Judith (2023): „Narrative und Metaphern zur Nachhaltigkeit – Perspektiven für den Unterricht in den sprachlichen Fächern, 185-209.

Meer, Dorothee/Susteck, Sebastian/Visser, Judith (2023): Narrative und Metaphern zur Nachhaltigkeit – Perspektiven für den Unterricht in den sprachlichen Fächern.

Meer, Dorothee (2023): „GRÜN-OHR HASE“ – „Green Clean“ – „KLIMAPOSITIV“ – Metaphern und Narrative der Nachhaltigkeit in der Lebensmittelwerbung auf Instagram. In: Meer, Dorothee/Susteck, Sebastian/Visser, Judith (2023): „Narrative und Metaphern zur Nachhaltigkeit – Perspektiven für den Unterricht in den sprachlichen Fächern, 211-249.

MSW-NRW (2019): Kernlehrplan für die Sekundarstufe I Gymnasium/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Deutsch, https://www.schulentwicklung.nrw.de/ lehrplaene/lehrplan/196/g9_d_klp_%203409_2019_06_23.pdf (25.03.2022).

Fill, Alwin / Penz, Hermine (2017) (Hrsg.): The Routledge Handbook of Ecolinguistics . New York: Routledge.-Penz, Hermine (2023): Sprache und Ökologie: Von ökokritischer Diskursanalyse zu Digital Storytelling im Sprachunterricht. In: Meer, Dorothee/Susteck, Sebastian/Visser, Judith (2023): „Narrative und Metaphern zur Nachhaltigkeit – Perspektiven für den Unterricht in den sprachlichen Fächern, 19-53.

Penz, Hermine (2022): Communicating climate change: How (not) to touch a cord with people and promote action. In: Text & Talk 42 (4), 1-20.-Ritter, Michael (2020) (Hrsg.): Krisenmodus oder Lifestyle? Umwelt und Naturschutz in der Kinder- und Jugendliteratur.-Themenschwerpunkt in kjl&m H. 4.

Trampe, Wilhelm (2007): Sprache im Deutschunterricht aus ökolinguistischer Perspektive. In: In: Fill, Alwin/ Penz, Hermine (Hrsg.): Sustaining Language. Essays in Applied Ecolinguistics, 215 – 236. Berlin: LIT.

Susteck, Sebastian (2023): Unmögliche Idylle. Narrative der Nachhaltigkeit und der Entwicklung in B. Travens Erdölroman Die Weiße Rose und ihre Erschließung im Deutschunterricht. In: Meer, Dorothee/Susteck, Sebastian/Visser, Judith (2023): „Narrative und Metaphern zur Nachhaltigkeit – Perspektiven für den Unterricht in den sprachlichen Fächern, 155-179.

Scheitza, Jan/Visser, Judith (2023): „Contagiare le persone tramite la potenza delle note e delle parole”? Zum Potential von Musikvideos für die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit im Italienischunterricht. In: Meer, Dorothee/Susteck, Sebastian/Visser, Judith (2023): „Narrative und Metaphern zur Nachhaltigkeit – Perspektiven für den Unterricht in den sprachlichen Fächern, 101-126.

„Parainteraktion in den Medien – Multimodale Perspektiven in TV, Radio und Hypermedien“ (abgeschlossen; siehe Luginbühl/Meer, 2022)

Herausgeber/innen: Martin Luginbühl (Basel)/Dorothee Meer (Bochum)

Das Phänomen der Parainteraktion ist keineswegs neu: Horton und Wohl (1956) und Horton und Strauss (1957) beschreiben Formen der Simulation unmittelbarer Interaktionsmöglichkeiten von Agent/innen in Rundfunk und TV bereits in den 1950er Jahren als parasoziale Interaktion und verweisen damit auf verbale Handlungen, mit denen Mediengent/innen den Eindruck erwecken, die Rezipient/innen könnten mit einem zweiten Zug auf Formen der direkten Ansprache reagieren; damit erweist sich parasoziale Interaktion als Effekt der paradoxen Situation von ‚performern‘ in der Massenkommunikation (Goffman 1981) und als zentrales Element von deren doppelten Artikulation (Scannell 1996). Holly, Bergmann und Püschel haben diese Überlegungen für die Position der Rezipient/innen genutzt, indem sie zeigen konnten, dass auch diese mit TV-Personen interagieren (vgl. Holly/Bergmann/Püschel 2001). Ayaß (1993), Hepp (1998) und Moores (2005) haben auf terminologische Schwächen des Begriffs der parasozialen Interaktion hingewiesen und alternativ den Ausdruck der (sozialen) Parainteraktion vorgeschlagen, der sich in der Medienlinguistik der letzten Jahre als Erweiterung des Interaktionsbegriffs unter medialen Bedingungen durchgesetzt hat.

Obgleich der Begriff der Parainteraktion in der medienlinguistischen Analyse hypermedialer Zusammenhänge in den letzten Jahren immer wieder virulent war, wurde hierbei in der Regel übersehen, dass eine Beschränkung auf rein verbale Aspekte des parainteraktiven Kontakts der parainteraktiven Adressierung in keiner Weise gerecht wird. Dies gilt übrigens nicht erst für hypermediale Formate, sondern bereits unter den Bedingungen des traditionellen Fernsehens wurde Parainteraktion multimodal hergestellt (Meer 2019; Böckmann et al. 2019, Luginbühl 2014). Im Mittelpunkt des geplanten Bandes steht somit die genauere Betrachtung von Formen der multimodalen Prozessierung parainteraktiver Praktiken in TV, Rundfunk und Hypermedien. Damit verbunden sind Fragen nach der strategischen Indienststellung aller semiotischen Ressourcen (Sprachverwendung, Para- und Nonverbales, Aspekte des Raums, Einsatz von Geräuschen und Musik, Bild- und Filmausgestaltung etc.) wie auch Fragen nach dem Effekt der Inszenierung von Interaktion mit dem Publikum wie etwa „sekundäre Intimität“ (Habermas 2009 [1962]) oder Geselligkeit (Scannell 1996).

Im hier avisierten Sammelband (Ersch. Ende 2020) geht es darum, unterschiedliche Ansätze zu präsentieren, die sich auf der Grundlage empirischer Daten mit multimodalen Formen der Parainteraktion beschäftigen. Hierbei wird es darum gehen, den Begriff der Parainteraktion theoretisch weiter auszudifferenzieren oder Formen der Hybridisierung und Ausdifferenzierung von Parainteraktion in unterschiedlichen Textsorten und Gattungen zu fokussieren. Dabei wird aber auch vereinzelt deutlich werden, dass sich der Begriff der Parainteraktion für konkrete empirische Anforderungen als unzureichend erweist.

Literatur:

Ayaß, Ruth (1993): Auf der Suche nach dem verlorenen Zuschauer. In: Holly/Püschel (Hrsg.): Medienrezeption als Aneignung. Methoden und Perspektiven qualitativer Medienforschung. Opladen. S. 27-41.

Böckmann, Barbara et al. (2019): Multimodale Produktbewertungen in Videos von Influencerinnen auf YouTube: Zur parainteraktiven Konstruktion von Warenwelten. In: ZfAL Nr. 70, 139–171.

Fix, Ulla (2008): Texte und Textsorten – sprachliche, kommunikative und kulturelle Phänomene. Berlin: Frank und Timme.

Goffman, Erving (1981): Forms of Talk. Oxford: Blackwell.

Habermas, Jürgen (2009 [1962]): Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. 11., unveränd. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 891).

Hauser, Stefan/Luginbühl Martin (Hrsg.) (2015): Hybridisierung und Ausdifferenzierung. Kontrastive Perspektiven linguistischer Medienanalyse. Bern: Peter Lang Verlag.

Hepp, Andreas (1998): Fernsehaneignung und Alltagsgespräche. Fernsehnutzung aus der Perspektive der Cultural Studies. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Holly/Bergmann/Püschel (2001): Der sprechende Zuschauer. Wie wir uns Fernsehen kommunikativ aneignen. VS.

Horton, Donald/Wohl, Richard R. (1956): Mass communication and para-social interaction: Observation on intimacy at a distance. In: Gumpert/Cathcart (Hrsg.): Inter media interpersonal communication in a media world. New York: Oxford University Press. S. 185-206.

Horton, Donald/ Strauss, Anselm (1957): Interaction in Audience Participation Shows. In: American Journal of Sociology 62, 6, S. 579-587.

Luginbühl, Martin (2014): Medienkultur und Medienlinguistik. Komparative Textsortengeschichte(n) der amerikanischen CBS Evening News und der Schweizer Tagesschau. Bern: Lang (Sprache in Kommunikation und Medien 4).

Meer, Dorothee (2018): HALlo ihr lIEben und HERZlich willkommen zu einem nEUen video von mir. Dagi Bee und die Bewerbung von Jugendlichen: aktuelle Entwicklungen im Bereich der Hypermedien am Beispiel der Textsorte „Tutorial“. In: Michel, Sascha/Pappert, Steffen (Hrsg.): Multimodale Kommunikation in öffentlichen Räumen. Kommunikationsformen und Textsorten zwischen Tradition und Innovation. Stuttgart.

Meer, Dorothee/Staubach, Katharina (2020): Osmotic Advertising for Teenagers: The Multimodal Constitution of Authenticity. In Crispin Thurlow, Christa Dürscheid, Christa & Frederica Diémoz (Hrsg.). Visualizing Digital Discourse: International, institutional und ideological perspectives.

Moores, Shaun (2005): Media/theory: Thinking about media and communications. London: Routledge.

Scannell, Paddy (1996): Radio, Television and Modern Life. A Phenomenological Approach. Oxford: Blackwell.

Weidner, Beate (2017): Zwischen Information und Unterhaltung: Multimodale Verfahren des Bewertens im Koch-TV. In: Gesprächsforschung – Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion 18, S. 1-33.


Wandel der Protestkommunikation (2022)

Reihe: Linguistik – Impulse & Tendenzen, de Gruyter Verlag

hrsg. von Mark Dang-Anh, Dorothee Meer & Eva L. Wyss

Veröffentlichung: 2020

In rechtsstaatlichen bzw. demokratischen Gesellschaften sind Proteste inhärenter Teil des gemeinschaftlichen Zusammenlebens. Die Möglichkeit zu protestieren legitimiert demokratische Gesellschaften. In Protesten wird ihr konstitutiver sozialer und kultureller Pluralismus ausgehandelt und alternative politische Handlungsfelder eröffnet. Dabei ist Protest zuvorderst ein zeichenhafter und sprachlicher Prozess. Durch Sprache wird Protest nicht lediglich Ausdruck verliehen, vielmehr wird Protest durch den Gebrauch von Sprache und anderen Zeichen als solcher überhaupt erst konstituiert. In den Fokus der linguistischen Protestforschung rücken somit Phänomene der Protestkommunikation als protest- und somit gesellschaftskonstitutive Elemente. Erst in der öffentlichen Protestkommunikation werden Gegenstände des Protests verhandelbar. Erst durch die mediale Distribution und Verfertigung erreicht Protest gemeinschaftliche oder gesellschaftliche Relevanz. Dabei haben sich die Praktiken der Protestkommunikation, d. h. die Art und Weise wie Menschen protestieren, mit der Zeit verändert. Zur Debatte steht also der Wandel des Verhältnisses von Protestkommunikation, Medien und Öffentlichkeit.

Gerade die rezenten Entwicklungen der digitalen Medien fordern die Erforschung der Protestkommunikation vor dem Hintergrund dieses Wandels heraus und diversifizieren das Feld der für die linguistische Protestforschung relevanten Daten und anzuwendenden Methoden. Der Band vereint daher Forschungsarbeiten, die sich dezidiert mit Fragen der Relevanz sprachlicher und bildlicher Konstitutionsformen politischen Protests, deren Medialitäten und Modalitäten empirisch gestützt auseinandersetzen.

Während die Beiträge des folgenden Bandes sich mit unterschiedlichen Akteuren, Domänen und historischen Epochen auseinandersetzen, ist ihnen der Bezug zum Begriff des Protests gemein. Hierbei zeichnet der Band eine Vielzahl von Konstitutionsformen von Protest nach und ordnet Protest als gesellschaftliches Phänomen in soziale, kulturelle und gesellschaftliche Zusammenhänge ein. Indem diese thematisiert werden, kann linguistische Protestforschung Anschlussmöglichkeiten herstellen, die über ein sprachbezogenes bzw. multimodales Interesse der eigenen Disziplin hinausreichen.

Beiträge:

Mark Dang-Anh/Dorothee Meer/Eva L. Wyss: Zugänge zu Protest – Eine exemplarische Einleitung

Christian Bendl/Jürgen Spitzmüller: Protest als mediatisierte Sinnstiftungspraktik: Das Beispiel Identitäre Bewegung Österreich

Heidrun Kämper: Protest als sprachliches Umbruchphänomen der späten 1960er Jahre – Aushandeln einer politischen Ausdrucksform

Britt-Marie Schuster: Widersprechen als diskursive Praktik. Illustriert an der Widerstandskommunikation gegen den Nationalsozialismus (1933-1945)

Friderich Markewitz: Strategien neurechter bzw. rechtspopulistischer Akteure zur Aneignung diskursiver Positionen des Widerstands im sog. ‚Dritten Reich‘

Hajo Diekmannshenke: Subversives Handeln und Protestkommunikation

Sascha Michel/Stefen Pappert: Multimodale Protestpraktiken analog und digital: Zur kritischen Aneignung von Wahlplakaten vor Ort und im Netz

Eval L Wyss: Von #Aufschrei zu #Metoo. Wandel des (feministischen) Protests in sozialen Medien und darüber hinaus

Mark Dang-Anh: „Jetzt Buckau!“ – Kommunikative Medienpraktiken in Straßenprotestsituationen