Forschungsprojekt »Räume anthropologischen Wissens«

Moderne Klassifikationen und Konzeptionen des Humanen werden maßgeblich durch die Lebenswissenschaften bestimmt. Psychiatrische Diagnostik, Psychometrie und Neuroimaging formieren unsere Auffassungen des Mentalen und des Menschen überhaupt. Die gegenwärtige Entwicklung in der Genom- und Reproduktionsforschung fordern im besonderen Maße tradierte Auffassung von der biologischen Natur des Menschen heraus. Anthropologische Wissensbildung findet und fand durch kontinuierliche Einbeziehung sich verändernder Medien, Technologien und epistemischer Schreibweisen statt. Wissenschaft, Politik, Industrie, Erziehung, Literatur, Bibliotheken, Lehrbücher und Archive gehören zu den Räumen, in denen sich die anthropologische Wissensproduktion und -zirkulation vollzieht.

Die MERCATOR FORSCHERGRUPPE untersucht diese Räume anthropologischen Wissens und vergleicht ihre internen und externen Dynamiken sowie ihre Interferenzen mit verschiedenen Bereichen kultureller Produktion vom 19. Jahrhundert bis heute. Sie untersucht die Situierung des anthropologischen Wissens, d.h. des Wissens von mentalen Vorgängen, Affekten, Emotionen, Lern- und Erkenntnisprozessen im jeweiligen kulturhistorischen Kontext. Dabei geraten auch die Distribution von Klassifikationsschemata, narrative Formen, Literarität, literarische Techniken, Visualisierungen, Praktiken und Interaktionen zwischen den verschiedenen Räumen anthropologischen Wissens in den Blick. Das interdisziplinäre Projekt vereint wissenshistorische, philosophische, literaturwissenschaftliche, medienwissenschaftliche und kulturpsychologische Ansätze zur Erforschung der Produktion und Zirkulation anthropologischen Wissens.