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Vor Reclams Universal-Bibliothek. Mediale Genealogien der ‚Classiker‘-Reihen ab 1810. Hannover 2025.

Die Mediengeschichte von Reclams Universal-Bibliothek ist stets retrospektiv geschrieben worden, vom Telos der bis heute erfolgreichen ›Klassiker‹-Reihe aus, die 1867 an den Start gegangen ist. Das vorliegende Buch geht den umgekehrten Weg, untersucht die angeblichen Reclam-Vorläufer seit 1810 im Kontext ihrer buchmedialen und markthistorischen Voraussetzungen. Seine Protagonisten sind die Etui-Bibliothek der deutschen Klassiker, von 1810 an erschienen bei Friedrich Wilhelm Forstmann in Aachen oder August Schumann in Zwickau (das ist alles andere als eindeutig), und Joseph Meyers Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker, die ab 1827 nicht nur in Gotha herausgekommen sein will, sondern, mit globalem Anspruch, auch in »Neu-York«. Dabei stellt sich auf der Ebene der Buchmaterialität tatsächlich so etwas wie ›Vorläuferschaft‹ heraus, jedoch anders als erwartet. Zugespitzt formuliert: das ›Reclamheft‹, das im zwanzigsten Jahrhundert zum Kultobjekt avanciert ist, erweist sich als medienpraxeologisches Mißverständnis.
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Buch von der Deutschen Poetery. Mit Erläuterungen und einem Nachwort herausgegeben. Hannover 2025.

Vor vierhundert Jahren rief Martin Opitz’ Buch von der Deutschen Poeterey eine deutschsprachige Kunstdichtung ins Leben, die mit der griechischen und lateinischen Literatur ebenso wie mit den führenden Literaturnationen des frühen siebzehnten Jahrhunderts – Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden – mitzuhalten beanspruchte. Das Epochenjahr 1624 ist literaturhistorisch so geläufig, wie es in immanent poetikgeschichtlicher Sicht nach wie vor Rätsel aufgibt, scheint Opitz doch in dem nur wenige Bogen füllenden Buch – außer daß er es auf deutsch tat – nichts gesagt zu haben, das nicht vor ihm schon gesagt oder poetisch praktiziert worden wäre. Anders stellt die Sache sich dar, wenn man die Auseinandersetzung mit poetischen Zitaten im Buch von der Deutschen Poeterey näher untersucht und Abweichungen vom humanistischen Habitus polyglotter Zitation ernst nimmt.
Pointiert gesagt sind die Verszitate in der Prosa des Buchs von der Deutschen Poeterey seine eigentlichen Protagonisten, die –zeitgenössisch ungewöhnliche – Quartseite die Bühne, auf der sie ihren Auftritt haben. Um das zu sehen, ist es freilich notwendig, die Deutsche Poeterey (wie Opitz am Ende der »Vorrede« formuliert) »für augen [zu] stellen«. Das unternimmt die Neuedition, indem sie – unter Verzicht einzig auf die Barockfraktur – das typographische Erscheinungsbild der Erstausgabe von 1624 seiten- und zeilengenau nachbildet und dabei zum einen für den differenzierten Einsatz unterschiedlicher Schriftgrößen zu sensibilisieren sucht, zum andern semantische Implikationen der mise en page herausarbeitet.
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Opitz und das Quartformat. Hannover 2024.

Martin Opitz’ Buch von der Deutschen Poeterey, 1624 so etwas wie die Gründungsurkunde der neuzeitlichen deutschsprachigen (Vers) Dichtung, ist im Quartformat erschienen. Das ist, vor dem Hintergrund eines klaren Trends zu kleinen Oktav-, allenfalls Duodezformaten für poetologische Schriften im siebzehnten bis ins frühe achtzehnte Jahrhundert auffällig — und es ist (wie sich zeigen wird) riskant. Man kann sich fragen, warum Opitz diese ungewöhnliche Formatentscheidung trifft. Die Frage liegt um so näher, wenn man berücksichtigt, daß Opitz nicht nur die Poetik, sondern auch seine poetischen Reformschriften der 1620er bis Mitte der 1630er Jahre durchweg im Quartformat erstpubliziert, auch dies gegen den Trend der Zeit.
Hinter diesen Fragen steht die Überzeugung, daß es nicht gleichgültig ist, in welcher druckmedialen und typographischen Gestalt dem jeweiligen Leser ein (poetischer oder poetologischer) Text vor Augen gestellt wird, und daß basalen materialen Konditionierungen textueller ›Vorliegenheit‹ wie eben dem bibliographischen Format semantische Implikationen eignen, die für ein zeitgenössisch adäquates Verständnis in Rechnung zu stellen sind. Das vorliegende (Quart-)Büchlein möchte einen Anstoß geben, einer bislang literaturwissenschaftlich wie buchwissenschaftlich vernachlässigten Dimension poetischer resp. poetologischer Texte mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
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Die journalliterarische Leseszene im Spiegel des Modebilds. Modellversuch zur Wiener Zeitschrift 1816-1849. Hannover 2022.

Wie läßt etwas so Flüchtiges, als der Blick des Lesers, der Leserin aufs bedruckte Papier ist, sich einfangen? Und wohl gar analysieren? — Das vorliegende Buch behauptet, daß er (wie das Licht) sich material an etwas brechen muß, um reflektiert werden zu können, und daß die (im Wortsinn) ephemere Druckmaterialität journalförmiger Publikationsmedien mit ihren geregelten Unterbrechungsrhythmen ihm eher zum Spiegel werden kann als das (in der Regel) gebunden auf einmal ausgelieferte Werkdruckkontinuum des Buchs. Gerade die im Journal nicht selten den Rezeptionsmodus unterbrechende Differenz zwischen Schrift und Bild(beilagen) öffnet den reflexiven Spielraum für Leseszenen, die den Leser zu involvieren suchen: lesend, schauend, durch mediale Handhabung.
Das ist, in wenigen Strichen angedeutet, der systematische Horizont, vor dem dies Buch seine Protagonistin, die Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode (1816-1849), auftreten läßt, um am Beispiel zu erproben, wohin solche Fragen führen (ob sie wohin führen). Die Bühne ist das publizistische Umfeld der Wiener Zeitschrift und ihrer wöchentlichen Modekupfer, in Wien, aber auch in Graz, in Leipzig, in Frankfurt, in Paris und vor allem in Ofen und Pesth. Zur Bühne wird es, weil die Wiener Zeitschrift den zeitgenössisch gängigen wortlosen Kommunikationsmodus unrechtmäßigen Nachstichs ihrer Kupfer ein ums andere Mal aufbricht: ihre Leserinnen und Leser implizit und explizit, in Bild und Schrift in mediale Konstellationen verwickelt, sie zu vergleichendem Lesen und Schauen provoziert – und sie dabei der eigenen Lektüre gewahr werden läßt.
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Zeit/Schrift 1813-1815 oder Chronopoetik des ›Unregelmäßigen‹ (zus. mit David Brehm, Volker Mergenthaler, Nora Ramtke und Sven Schöpf)

Als von Frühjahr 1813 an, beginnend mit Preußen, die deutschen Territorien sich sukzessive von der französischen Herrschaft befreien und bis zum Sommer und Herbst des Jahres allmählich sich eine politisch-militärische Allianz gegen Napoleon formiert, wird all dies vielerorts publizistisch begleitet: in Berlin, in Altenburg und Leipzig, in Freiburg im Breisgau, in Koblenz, in Wien, ja die preußische Feldbuchdruckerei folgt der Armee der Alliierten nach dem Rheinübergang im Dezember 1813 sogar nach Frankreich bis zum Einzug in Paris. Gemeinsam ist diesen neu entstehenden, zwischen Zeitung und Zeitschrift changierenden deutschsprachigen Blättern, daß sie in den Freiräumen, die sich zeitweilig in den machtpolitisch unübersichtlichen Verhältnissen 1813–1815 gegenüber der Normalität von Zensur eröffnen, relativ spontan und meist kurzlebig diskontinuierliche Zeiterfahrung zu verschriften suchen und dabei mit der seriellen Normalität von Journal experimentieren. Was daraus für die typographische Materialität, die textuelle Kohärenz und für die Periodizität von Journal resultiert, läßt sich auf den Begriff einer Chronopoetik des ›Unregelmäßigen‹ bringen.
Solchen Inszenierungen von als unregelmäßig erfahrener Zeit durch performative Regelverstöße im Druckmedium selbst läßt sich analytisch adäquat nicht mit der Systematik einer wissenschaftlichen Abhandlung begegnen, ohne daß Wesentliches auf der Strecke bliebe. Die Konsequenz ist die Entscheidung für ein experimentelles: ein zeitungsförmiges Buch.
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»Zu schyff Zu schyff bruder: Eß gat / eß gat«: zur Performanz des Exemplarischen im Narrenschiff. Hildesheim 2021 (zus. mit Julia Kunz, Sebastian Mittelberg und Julia Schmidt)

Fragt man, aus was für einem Material 1494 Sebastian Brant »diß schiff gezymberet« hat, so wird die Antwort lauten müssen: aus Exempeln. Das Narrenschiff zählt nicht weniger als 471 Exempel. Dennoch hat die Forschung diesem ›Baumaterial‹ bislang wenig systematische Aufmerksamkeit geschenkt. Beispiele, exempla, sind für Texte, die rhetorisch etwas bewirken wollen (belehren, appellieren, warnen), unverzichtbare Bestandteile der Argumentation. Gleichzeitig haben sie aber die Tendenz, sich in der Veranschaulichung eines Allgemeinen unter der Hand zu verselbständigen. Was nun aber, wenn ein programmatisch moraldidaktischer Text seine Rede zum aus Beispielen gezimmerten Schiff formt, die Rezeption als Fahrt darauf inszeniert – und dann die exemplarischen Planken zu arbeiten beginnen, in Spannung zueinander treten, aus den Fugen gehen?
Eine solche Lektürefahrt auf dem Narrenschiff unternimmt der erste Sonderband der »z.B. Zeitschrift zum Beispiel«: im Kielwasser des Irrfahrers Odysseus, hin und her geworfen zwischen Schrift und vexierend sich wiederholenden Bildern, genarrt von der Weisheit an Bord und zuletzt gar dem in den Bordüren zu findenden Autor »Sebastianus Brant« – und immer und immer wieder konfrontiert mit dem Eigensinn der Exempel.
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Optische Auftritte. Marktszenen in der medialen Konkurrenz von Journal-, Almanachs- und Bücherliteratur. Hannover 2019 (zus. mit Stephanie Gleißner, Mirela Husić und Volker Mergenthaler)

Wer sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ins bunte Gewühl des literarischen Markts stürzt, wird sogleich heftig umworben, nicht nur seitens der meist in Oktav gedruckten Bücher, sondern gerade auch der Unterhaltungsblätter (in Quart) und des zierlichen Duodez- oder Sedezgeschlechts der Taschenbücher und Kalender. Der Kampf um die Zuneigung des »geliebten Lesers« und der »nie genug zu liebenden Leserinn« (so publikumszugewandt das Taschenbuch für Frohsinn und Liebe auf das Jahr 1826) wird mit ganzem Körpereinsatz geführt, mitunter auch mit samtenen oder seidenen Bandagen.
Angefangen bei der Vielfalt möglicher Einbände, zwischen denen die Leserin, der Leser wählen kann, über die verschiedenen Formate, Goldschnitt, ja Lettern und mise en page bis hin zur Qualität des Papiers – der Körper der Literatur in seiner visuellen und haptischen Dimension tritt auf dem Markt, verstanden als konkurrentes Ensemble der belletristischen Neuerscheinungen im jeweiligen hic et nunc, in Erscheinung: selbstbewußt, nicht etwa als beschwerendes Beiwerk eines gemeinhin als ›abstrakt‹ gedachten Textes. Daß dieser optische (und haptische) Auftritt das konstituiert, was zeitgenössisch als Literatur gelesen wird, bildet die Prämisse des vorliegenden Buchs. Es bietet, synchron und syntop, sieben Marktszenen, die, auf der Spur je eines journal- oder taschenbuchförmigen ›Protagonisten‹, in sieben Spaziergängen entfaltet werden: durch Berlin 1802/03 und 1847/48, durch Stuttgart 1816/17, Wien und Leipzig 1825ff., nochmals Leipzig 1838/39 und wieder Wien sowie Pesth 1840ff., mit Seiten-, Rück- und Wechselblicken von hier nach dort und von dort nach hier.
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Gryphius-Handbuch. Berlin/Boston 2016.

Unter den Autoren des 17. Jahrhunderts gehört Andreas Gryphius zweifellos zu den am besten erforschten. Seit der großen Konjunktur der Barockforschung in den 1960er und 70er Jahren hat sich monographisch und in Aufsätzen eine facettenreiche Forschungslandschaft entwickelt. Die Anstrengung einer umfassenden Gesamtdarstellung zu Leben und Werk ist hingegen nicht mehr unternommen worden.
Auf dieses Desiderat reagiert das Gryphius-Handbuch in mehrfacher Hinsicht: Als autonom benutzbarer Überblick informiert es, forschungsgeschichtlich perspektiviert, auf dem Stand der aktuellen Forschungsdiskussion zu Autor und Werk sowie zu deren zeitgenössischer wie nachfolgender Rezeption. Zugleich erproben die 38 textzentrierten Kapitel des plural angelegten Handbuchs das Erschließungspotential auch neuerer literatur- und diskurstheoretischer Ansätze. Strukturgebend ist die Kombination von Textzentriertheit und systematischer Verstrebung: Komplementär zu den Lektüren einzelner Werke oder Werkgruppen eröffnet das umfangreiche alphabetisch organisierte Kapitel »Systematische Aspekte« in zwölf Einträgen Perspektiven zu poetologischen Konzepten und historischen Rahmenbedingungen, wie sie für Gryphius’ Schreiben maßgeblich sind. Gegenüber der älteren Forschungstradition, sich auf wenige kanonische Sonette, Trauer- und Lustspiele zu konzentrieren, erweitern Artikel zu den Leichabdankungen, Oden, Übersetzungen und Bearbeitungen das Referenzcorpus beträchtlich. Dabei zeigt sich: auch diesen Texten ist eine eigene Ästhetik zuzutrauen, die sich gegenüber geschlossenen Deutungssystemen als durchaus widerständig erweist.
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Zuschauer im Eckfenster 1821/22 oder Selbstreflexion der Journalliteratur im Journal(text). Mit einem Faksimile des Zuschauers vom April/Mai 1822. Hannover 2015.

Üblicherweise liest man »Des Vetters Eckfenster« als Erzählung E. T. A. Hoffmanns, mit Blick auf das Schicksal des gelähmten Vetters und das Erscheinungsdatum zwei Monate vor Hoffmanns Tod nicht selten mit autobiographischen Implikationen. Das vorliegende Buch schlägt, ausgehend vom Veröffentlichungsort des Textes, der Berliner Zeitschrift Der Zuschauer, in der »Des Vetter Eckfenster« vom 23. April bis zum 4. Mai 1822 in Fortsetzungen veröffentlicht wird, eine andere Lesart vor. Eine Lesart, die die Autorschaft des gesunden, den Gelähmten besuchenden und mit ihm aus dem Eckfenster schauenden Vetters ernstnimmt und die Publikation im Zuschauer ihm zurechnet.
Das Szenario stellt sich dann auf einmal sehr anders dar, konflikthaltig: Der eine, der schreibende und in Fortsetzungen veröffentlichende Vetter ist zugleich unübersehbar als illiterat markiert; der andere, der gelähmte Dichter, veröffentlicht nicht mehr. Nicht im Zuschauer, in dem seit 1821 vielerlei Schaulustige, unter ihnen auch E. T. A. Hoffmann, das Hauptstadttreiben beobachten und davon erzählen, journalistisch berichten, es rezensieren. Doch auch keine unsterblichen Werke in Buchform mehr. Diese Schreibblockade läßt sich zwar auch als kritischer Kommentar zum zeitgenössischen Literaturbetrieb lesen, nur bekümmert der sich nicht darum. Nicht einmal der eigene, literarisch unbedarfte Vetter tut das, erzählt und publiziert vielmehr auf eigene Hand. Signum dieses Erzählens und Publizierens in Fortsetzungen aber ist ein nur scheinbar nebensächlicher Blickfang: der dernier cri der hauptstädtischen Modewelt nämlich, der rothe Shawl…
In diesem journalliterarischen Horizont erscheint »Des Vetters Eckfenster« nicht als distinkt sich abschließendes literarisches Werk, sondern als Brennpunkt, in dem sich die in der Zeitschrift Der Zuschauer über den gesamten Erscheinungsverlauf 1821/22 ausgetragenen oder in Szene gesetzten Debatten um Autorschaft, Publikationsformen, Publikum, Stellenwert und Relevanz von Literatur sammeln und im Konflikt der Vettern scharfgestellt werden. Seine Grenzen hat der »Eckfenster«-Text somit bestenfalls im Zeitblatt Der Zuschauer, genaugenommen noch nicht einmal dort.
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Zeitschriftenliteratur/Fortsetzungsliteratur. Hannover 2014 (Bochumer Quellen und Forschungen zum 18. Jahrhundert, 6), (hg. zus. mit Nora Ramtke und Carsten Zelle)

Folgt man weiten Teilen der Forschung, scheint sich die Buchförmigkeit von Literatur von selbst zu verstehen. Dabei werden literarische Texte seit der Medienrevolution des 18. Jahrhunderts, zumal im Bereich der Erzählliteratur, dominant in einer anderen Veröffentlichungsform erstpubliziert und rezipiert: im Journal, d.h. in Literaturzeitschriften, Unterhaltungs- und illustrierten Familienblättern, in Tageszeitungen und anderen periodischen Publikationsformen. Der gänzlich differente mediale Aggregatzustand, in dem Literatur unter den Formatbedingungen des Journals lieferungsweise, unabgeschlossen, in der Fläche der Zeitschriften- oder Zeitungsseite neben, über, unter anderen (Fortsetzungs-)Texten erscheint, bleibt ihr nicht äußerlich, sondern konditioniert vielmehr in spezifischer Weise ihre zeitgenössische Rezeption. Das betrifft nicht nur vergessene oder als zweitrangig abgewertete Texte, sondern gerade einen erheblichen Teil der (noch nicht durch Kanonisierung medial isolierten) ›Werke der Hochliteratur‹ und hat eine in ihrem strukturbildenden Potential erst noch zu entdeckende Vorgeschichte, die bis zu den Moralischen Wochenschriften zurückreicht. Der vorliegende Band versammelt Beiträge, die die terra incognita aus germanistischer Sicht in einem Werkstattgespräch an der Ruhr-Universität Bochum im Mai 2012 exemplarisch zu erkunden unternommen haben und sich als Vorstudien zu einem größeren Forschungsprojekt zur Journalliteratur begreifen.
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ORIGINAL-PLAGIAT. Peter Marteaus Unpartheyisches Bedenken über den unbefugten Nachdruck von 1742 Quellenkritische Edition und Kommentar Von Nicola Kaminski, Benjamin Kozlowski, Tim Ontrup, Nora Ramtke, Jennifer Wagner

Als 1731 der Verleger Johann Heinrich Zedler sein Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste auf dem Leipziger Buchmarkt zu etablieren sucht, beherrscht allenthalben der Vorwurf des »Nachdrucks« den verlegerischen und kritischen Diskurs, wiewohl der inkriminierte Tatbestand (auch zeitgenössisch) plagium heißen müßte. Zedlers unter dem Decknamen der »Musen« operierende Lexikon(ab)-schreiber realisieren das Universal-Lexicon aber nicht nur als ›großes, vollständiges Universal-Plagiat‹; bisweilen legen sie (jenseits ökonomischer Interessen) in pointierter Ostentation auch Zeugnis ab von dessen Zustandekommen. So besonders prominent 1740 im Artikel »Nachdruck derer Bücher«, der beinahe wörtlich eine gegen den ›Nachdruck‹ des Universal-Lexicons gerichtete Polemik ›nachdruckt‹ und derart gegen das eigene Textproduktionsverfahren Position bezieht. 1742 erscheint unter dem Titel Unpartheyisches Bedenken, worinnen … bewiesen wird, daß der unbefugte Nachdrukprivilegirter und unprivilegirter Bücher Ein … infamer Diebstahl sey in »Cölln / bey Peter Marteau« ein Text, der noch weiter geht, indem er sich aus dem »Nachdruck derer Bücher« und dessen plagiierter Vorlage speist. Damit tut dieses denkbar unökonomischste aller Plagiate den Schritt vom plagiierten Original zum originalen Plagiat und spitzt dies in einer regelrecht systematischen Versuchsanordnung zu der Frage zu, wie aus plagiiertem Text originaler Text wird. Die vorliegende Edition unternimmt es, diese in der schieren textuellen Performanz sich vollziehende Reflexion von Textproduktionsstrategien in doppelter Darbietung des Unpartheyischen Bedenkens offenzulegen: im Faksimile nach dem Exemplar der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, Hannover, und in einer die Prätexte buchstabengenau kenntlich machenden Neuedition. Deren (prä)textuelle Resultate werden im Stellenkommentar insbesondere juristisch kontextualisiert, in der Einleitung mit Blick auf den systematischen Konnex von Plagiats- und Originalitätsdiskurs in übergreifende Deutungszusammenhänge gestellt. www.original-plagiat.net
